Die Scham nicht leistungsfähig zu sein

Krankheit ist in unserer modernen Gesellschaft eher nicht erwünscht.
Es ist ein körperlicher Zustand, der nach Möglichkeit schnell wieder abzustellen ist.
Schließlich sind manche Krankheiten auch lebensbedrohlich. Wer krank ist, sollte zu einem Arzt gehen, so ist der allgemeine Tenor.
Beim Arzt gibt es gewisse Regeln: Die Krankheit eines jeden Menschen wird mit grösstmöglicher Diskretion behandelt. So ist die Vorgabe.
Der Arzt spricht mit jedem Patienten (so heisst der arme krank gewordene Mensch dann) in einem separaten Raum. Es gilt auch die sogenannte ärztliche Schweigepflicht.

Die getrennten Räumlichkeiten könnten auch mit der Vermeidung von Ansteckungen zu tun haben.
Schon als kleines Kind habe ich mich damals schon immer gefragt, wie der Arzt selbst auch nur einen einzigen Tag überleben kann, wenn er z.B. während einer Grippewelle-Saison an einem Tag seines Praxisberufslebens mit über 20 schweren Fällen selbst in Kontakt kommt.? Wie macht er es, dass er am nächsten Tag nicht selbst krank im Bett liegt? Das kann doch nicht nur ausschließlich etwas mit guter Hygiene zu tun haben?
Oder die Sprechstundenhilfen des Arztes: Ich habe noch nie gesehen, das diese die Versichertenkarte des Patienten zuerst desinfizieren, bevor sie diese mit blossen Händen entgegennehmen.

Aber wieder zurück zum eigentlichen Thema, zur Diskretion.
Warum muss Krankheit eigentlich versteckt werden?

Der Arzt hat ebenfalls die Macht einen Menschen krankzuschreiben. Das gibt diesem Menschen dann das Recht für die vom Arzt festgelegte Dauer der Genesung (der Zeitraum, den der arme Kranke laut Arzt brauchen könnte, um wieder gesund zu werden) von seiner Arbeit fernzubleiben, ohne eine Strafe befürchten zu müssen.

Ärzte sind sehr gnädige Menschen in diesem System. Bestimmt wollen deswegen auch so viele Menschen Arzt werden, die Studienplätze sind sehr rar aufgrund der Vielzahl an Bewerbern.

Selbst wenn der arme Kranke diese vom Arzt erstellte Krankmeldung (gelber Zettel) nicht rechtzeitig bei seinem Sklaventreiber (pardon, Arbeitgeber natürlich!) einreicht, hat er mit bestimmten Nachteilen zu rechnen.
Es gibt auch hier wieder gewisse Regeln (ev. unterschiedliche aus der Sicht des Arbeitgebers und des Arztes), was der Kranke dann, je nach diagnostizierter Krankheit, nicht mehr tun darf. Das legen dann die studierten Rechtswissenschaftler ganz genau von Fall zu Fall fest.
In schweren Verstössen gegen diese Regeln, kann der schuldhafte Kranke sogar seinen Arbeitsplatz verlieren.

Das höchste Gut in diesem Zusammenhang ist also der Erhalt der Arbeit und der Arbeitsfähigkeit (Leistungsfähigkeit!).

Einmal andersherum gedacht: Was wäre, wenn es egal wäre, ob ein Mensch etwas leistet?
Und selbst wenn er sich dazu entschließen würde, etwas zu leisten, dass es vollkommen egal wäre, was und wieviel er leisten würde!?
Dann könnte er auch völlig frei und offen jede Art von Krankheit zugeben und darüberhinaus sich alle Zeit der Welt für die Genesung nehmen.
Und zwar ohne schlechtes Gewissen!
Menschen sind sich offenbar nicht im Klaren darüber, wieviel Angst und Misstrauen das bestehende System beinhaltet.
Auch wenn die Krankheit zu lange dauert, wird die finanzielle Absicherung immer weniger.
Die Übernahme von Kosten wird sowieso tendenziell immer weniger, da das ganze System nach den Gesichtspunkten der Ökonomie funktionieren soll.

Aus meiner Sicht ist auch die Deutung von Krankheit nicht richtig. Jedes Krankheitssymptom ist aus einem nicht gelösten Konflikt im Geist entstanden, der dann als Folge im Körper „mehr Sichtbarkeit“ erfährt. (vgl. genauere Ausführungen im Buch Krankheit als Weg von Thorwald Detlefsen und Rüdiger Dahlke)

Ein Mensch wird doch nicht auf diese Erde geboren, um zu arbeiten?!?
So gehen Menschen aber miteinander um!
Es soll das Ziel eines jeden Menschen auf dieser Erde sein, dass er nach Schule/Ausbildung/Studium einer Arbeit nachgeht. Hat mich je ein anderer Mensch gefragt, ob ich das in dieser Form überhaupt will?
Im Gegenteil: Die Auswüchse von dem, was wir heute Arbeit nennen, haben das Potenzial den Lebensraum aller Menschen (die Erde) zu zerstören!

Das wird im folgenden Vortrag von Prof. Harald Lesch „Das Kapitalozän“ deutlich ausgeführt:

Weniger Leistung (also Ausruhen, Genesung, Entschleunigung) und nachhaltigeres Wirtschaften könnte viel zum Überleben beitragen.

Naturvölker nehmen nur so viel von ihrer Umwelt, dass sich das Gleichgewicht der Natur wieder erholen kann.
Sie sind nicht von Leistungsdruck und Optimierungswahn getrieben.
Da könnte und sollte man mal drüber nachdenken.

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